Cover: White Reaper - White Reaper Does It Again

 

Es muss scheppern! In den Ohren krachen! Bitte, bitte mehr Verzerrer! Für wen das der übliche Wunsch tief im Innern ist, wenn mal wieder ein seichter Indie-Rock-Track aus den Radio-Boxen in das eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus dudelt, der ist mit White Reaper an der richtigen Adresse. Auf ihrem Debüt-Album „White Reaper Does It Again“ brettern sie einen zweieinhalb-Minuten-Track nach dem anderen runter und nehmen dabei wunderschöne Kurven über kleine Hymnen, große Tanzflächen-Brenner mit Beat-Einschlag und eingängige Gitarrenparts zum mitschwoofen.

Die White Reapers sollte man vor ihren Konzerten möglichst lange warten lassen. Denn dann werden ihre Konzert nach Erfahrungsberichten besonders abgedreht. Sie sagen selbst, sie werden dann ein bisschen „rowdy“, drehen mit den Leuten in der ersten Reihe durch und sprühen vor Energie. Es muss dann eben einfach raus. So sind die Jungs aus Louisville schon immer an Musik rangegangen. Sie kennen sich seit sie Kinder sind, haben sich über die geilsten Metal-Platten der 80er ausgetauscht, Ozzy Osbourne abgefeiert und in ihrer Heimatstadt auf Konzerte von Indie bis Rock'n'Roll getanzt. Louisville ist für die White Reapers ein musikalisch absolut inspirierender, offener Ort. Die Bands dort wollen sich in keine Genres pressen lassen, Musik entsteht beim Musik machen. Und so haben auch die White Reapers ohne straffes Korsett begonnen. Haben einfach Musik mit Freunden gemacht - lange Zeit - bis sie dann 2012 die Erste „White Reaper EP“ mit sechs Tracks veröffentlichten. Ein rosanes, rundes Stück Vinyl, das die Schlagrichtung vorgab: Schneller 70s-Rock'n'Roll, dumpf abgemischt mit zischendem Gitarrenfeedback und rasenden Schlagzeug-Fills.

Mit dem ersten Album geht es von rosa auf lila, aber der Sound bleibt sich treu. „One, two, three, four, five, six, seven, eight“ wird angezählt und dann prescht die Platte mit „Make Me Wanna Die“ nach vorn. Wunderbar getragen von der eindringlich simplen Keyboard-Melodie, beschwört Sänger Tony genauso alltägliche Glücks- und Trauer-Momente aus Teenager-Tagen herauf. Der Sound könnte Powerpop sein, wäre er sauberer; es könnte Punk sein, wäre es eine Spur härter, aber die White Reapers bleiben auf ihrer Mittelspur, eröffnen tanzbar und mitreißend.
Die Platte hält wenig ruhigere Momente bereit und selbst wenn Tracks wie „Pills“ es schaffen, eine Minute lang etwas reduzierter und sanfter daher zu kommen, verfallen sie nach drei Mal der gleichen Keyboard-Melodie in eine durchdringende Bridge und der Song öffnet sich zum Mitsing-Refrain.

Ein klein wenig mehr Abwechslung würde den White Reapers daher insgesamt noch ganz gut zu Gesicht stehen. Wenn hier und da Steigerungen unvorhersehbarer kämen, wäre die sich überschlagende Euphorie oder auch Trauer in Tonys Stimme noch ein wenig pointierter. Wenn die Keys wenige Sekunden länger frei stehen dürften, wäre der erneute Einsatz vom Stromgitarren-Brett noch mitreißender - wäre die Entwicklung der Songs spürbarer.
Dafür, dass die Reapers aber ein paar wenige Ausreißer auf der Platte haben, ist „White Reaper Does It Again“ ein absolut gelungenes Gesamtkunstwerk, aus dem jeder Track in die Turnschuhe der hiesigen Indie-Tanzflächen kriechen dürfte. (Nele Posthausen)

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