eldoradio*

Oxford Street, London. Ein spärlich gepflegter Mann gräbt sich durch eine Mülltonne, ein anderer eilt in Anzug und Aktentasche durch die schwarz-roten Schlangen aus Bussen und Taxen, eine Traube aus lautbunten Mädchen bewegt sich scheuklappigen Schrittes auf das Schaufenster eines Modegeschäfts zu. Unser Hirn hat sie alle längst mit entsprechenden Klebezetteln versehen.

Scott Bowley erinnert uns daran, dass wir uns möglicherweise in einer Falle befinden. Sollten wir etwa darauf schließen, dass er anregende elektronische Musik produziert und das hippe Südlondon seine Hood nennt, nur weil er sein lockiges Haar mit einer rückwärts gedrehten Kappe bändigt, stets Kopfhörer und immer eine Ansammlung von Eintritts-Stempeln auf dem Handgelenk trägt?

Zumindest musikalisch ist nichts, wie es scheint: Mit der geloopten Bass-Melodie verschafft Scott seiner Debüt-Single „You Don’t Know Me“ die Illusion von Stetigkeit, um sie mit polternden Glitch-Geräuschen, übersteuerten Drum-Sounds und nasalen Synths unbarmherzig zu zerstören. Im Oxforder Chor trainierte er über die Jahre das wunderbare Falsett, das uns an den großen Thom Yorke erinnert. Und um den Klebezettel-Prozess sofort zu stoppen: Im Hipster-Viertel Peckham ist Scott inzwischen ob seiner stimmlichen Nachahmung von Macy Gray berüchtigt, die schon so manchen Karaoke-Stammgast aus seinem Stuhl hat fallen lassen. Fair Play!

Das hättet ihr jetzt also nicht erwartet. Scott gefällt das, also veröffentlicht er die Single im praktischen VHS-Format (inklusive hypnotischer B-Seite „The Terrace“, die sich jenseits der ohne Drogen wahrnehmbaren Realität befindet). Dazu gibt’s selbstverständlich einen Risograph-Print von einem Korridor. Denn Scott liebt Korridore. Wer’s bis jetzt nicht verstanden hat ... (nk)

Das VHS-Paket mit "You Don't Know Me" gibt's auf Scotts Bandcamp-Seite.