Yuno - Moodie

Was im Fußball als Scouting bezeichnet wird, ist in der Musikbranche das A&R, kurz für Artist and Repertoire. Jedes Label hat mehrere von diesen Leuten, die keine wichtigere Aufgabe haben als neue Talente zu entdecken. Beim Label Sub Pop aus Seattle ist das seit 2013 Ishmael Butler, angestellt in zweifacher Funktion: mit seiner Band Shabazz Palaces ist er auch Artist des Labels. Im neuen Job will er Indiekünstler finden, die „einfallsreiche“ und „gewagte“ Musik machen, sagt er. Das ist ihm jetzt endlich gelungen.

Das Talent, das jetzt groß rauskommen soll, heißt Yuno. Und das ist wortwörtlich gemeint. Der 27-Jährige hat nämlich bisher sehr viel Zeit in seiner Wohnung in Jacksonville, Florida, verbracht. Zu Hause schreibt und produziert er nämlich seine Songs. Yuno ist also Bedroom Producer. „Ich lebe die meiste Zeit im Internet“, hat er kürzlich erzählt. Nicht auf einer Party oder einem Konzert, sondern genau dort hat ihn auch Butler entdeckt: auf Bandcamp, wo er zahlreiche Songs hochgeladen hatte – aus dem Bett, rein ins Internet. Und da das, was es für ein Album braucht, ja schon alles fertig war, steht nur vier Monate nach seinem Labelsigning bereits sein Debütalbum Moodie.

Das hat nur sechs Tracks, was eigentlich so gerade die Kategorie einer EP übersteigt, und trotzdem nicht wirklich ein Album ist. EPs bringen Bands gerne dann raus, entweder wenn das Material nicht für einen Langspieler reicht, oder wenn sie mit ihrem Sound experimentieren und ihre Richtung noch nicht so ganz gefunden haben. Letzteres passt dann auch zu Yuno. Der Typ mit den schulterlangen Rastalocken liefert auf Moodie mindestens drei Hits ab, die aber alle komplett verschieden klingen.

Der stärkste ist wohl Why For, ein vorsichtiger Surfpunk-Song über Unsicherheit. Vorsichtig, weil Yuno mit seiner verzerrten Gitarre nie wirklich loslegt, sondern sich lieber zum immer gleichen Rhythmus selbstbemitleidet: „It’s been a year. I’m still stuck in this hole“, raunt er verzweifelt und man fragt sich, was die Nachbarn wohl gedacht haben, als er den Song aufgenommen hat. Hit Nummer zwei heißt Fall In Love. Hier bewegt sich Yuno in die Richtung Soul und R’n’B, unter seiner Stimme liegt genau wie bei Why For ein Effekt. Diesmal wird aber kein Mehrstimmenchor imitiert, stattdessen hat sie einen kleinen Hall und klingt deutlich höher. „I can make you fall in love with me“, singt Yuno und klingt dabei immer ein bisschen so, als wäre er desinteressiert, dann rappt er „I’ve been begging you to come around“. Fall In Love ist der traurig verliebte Track mit dem meisten Groove auf Moodie. Und dann ist da noch No Going Back, ein Elektropop-Song der mit Synthies und Glöckchen nach Sommer klingt. Yuno singt „There’s no going back from it baby. Maybe you know how it feels“ und haut ein Lenny Kravitz ähnliches Gitarrensolo raus.

Drei verschiedene Musikgenres, eine Gemeinsamkeit: Yuno erzählt in seinen Songs keine glücklichen Geschichten. Keiner beschreibt das so schön wie die Kanadier vom Blog Exclaim: „Moodie ist das musikalische Äquivalent von einem Long Island Iced Tea: gleichwertig süß (Melodien) und sauer (Lyrics).“ Yuno ist ein spannender neuer Act, der offenbar schon jetzt Musikgeschmäcker links wie rechts bedienen kann. Luft nach oben hat sein Sound aber auch, eben weil er noch nicht so gefestigt klingt. So ist das bei einem Talent.

(Julian Beyer, eldoradio*)

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