MT. Wolf - Aetherlight

Wer in London mal einen Bus verpasst hat, wird sich nur sehr kurz geärgert haben. Die roten Doppeldecker fahren im Minutentakt. Sie sind ein Indiz dafür, dass die englische Hauptstadt eine der hektischsten Metropolen Europas ist. Die Band MT. Wolf aus London liefert nun ein musikalisches Kontrastprogramm. Der Rastlosigkeit ihrer Heimatstadt begegnen sie mit sehr viel Ruhe. Ihr Debütalbum Aetherlight ist die reinste Entschleunigung.

Wer MT. Wolf das erste Mal hört, wird zwangsläufig an Ásgeir erinnert. Der isländische Sänger veröffentlichte jüngst sein Debütalbum Afterglow voll mit ruhigen, melancholischen Songs, die sich erst langsam aufbauen. Die Musik von MT. Wolf benötigt ebenfalls Zeit, bis sich ihr Klang vollends entfaltet. Hamburg ist ein sphärisches Lied mit einer Länge von über 6 Minuten. Die Hälfte der Zeit benötigt der Song, um seinen Drive von kompletter Stille bis hin zum Refrain untermalt von elektronischen Arrangements zu entfalten. Den Rhythmus hält MT. Wolf ganze 44 Sekunden, dann folgt ein Instrumental, welches das Tempo des Liedes wieder komplett nach unten fährt – ehe alles von vorne beginnt.

Es ist auch die wandelbare Stimme von Sänger Sebastian Fox, die den Vergleich zu Ásgeir nahelegt. Fox singt so hoch, bis es nach mittelalterlichem Kirchengesang klingt, mächtig und rein (Hex).  Auf Dorji überrascht er dann mit tiefer Stimme. Dabei war Sebastian Fox nie für diesen Part vorgesehen. Kate Sproule war die Sängerin der Band, die allerdings nach nur zwei Jahren und zwei EPs 2012 ausstieg, sodass Fox in diese Rolle schlüpfen konnte. Gemeinsam mit Stevie McMinn an der Gitarre und Schlagzeuger Al Mitchell versteht es Fox jetzt, die Balance zu halten zwischen Elektro, Dreampop und Folkrock. Oder anders ausgedrückt: Was sehr ruhig beginnt, nimmt nach einiger Zeit mächtig an Fahrt auf.

Das heißt, MT. Wolf liefert, erwartet aber auch genauso Zeit, um sich in ihre Songs einzugrooven. Tempowechsel kommen ständig vor, etwa auch im Song Soteria. Wieder ist es Fox hohe, hallende Stimme die, nur begleitet von einer Gitarre, in das Lied führt, ehe die ZuhörerInnen von elektronischen Effekten begleitet werden. Gerade als es wirkt als würde der Song schneller, ist nur noch Fox Stimme alleine zu hören. Plötzlich nimmt der Song erneut an Geschwindigkeit auf und wird von einem verstärkten Bass mit Schlagzeug und Snaredrums auf seinen Höhepunkt geführt. Ein melancholischer Anfang hat ein hardrockiges Ende genommen. Mit dieser Abwechslung in nur einem Song beeindruckt das Trio von MT. Wolf auf ihrem ganzen Album.

Ásgeir muss es etwas leichter gehabt haben. Im beschaulichen Island wohnen gerade rund 330.000 Menschen, in London gleich 26 Mal so viele. Trotzdem hat es das Trio geschafft, einen Soundtrack für Verschnaufpausen zu kreieren, der seine ZuhörerInnen aber nicht einschläfert, sondern nur einen kurzen Ruhemoment beschert – ehe der nächste Bus anhält.

(Julian Beyer, eldoradio*)

____________
Der Silberling der Woche ist eine Kooperation der Campusradios
CT das radio, Campus FM und eldoradio* unter dem Dach der Campuscharts.
Daher findet ihr hier jede Woche eine Rezension zu einem besonders interessanten Album, wechselweise von den Musikredaktionen dieser drei Campusradios verfasst.
Checkt auch: www.silberlingderwoche.de

RÜCKSCHAU

KW 35/2023
Slowdive Everything Is Alive
KW 34/2023
Genesis Owusu Struggler
KW 23/2023
Christine and the Queens ANGELS, PARANOÏA, TRUE LOVE
KW 06/2023
Young Fathers Heavy Heavy
KW 05/2023
King Tuff - Smalltown Stardust
King Tuff Smalltown Stardust

ARCHIV

WOCHE Künstler/Band NAME DES ALBUMS/SONGS MUSIKLABEL
KW 38/2018 Pari San R.I.P. Identification FlyingCarpetRecords
KW 37/2018 Schlakks Indirekte Beleuchtung Mole Rat Music
KW 36/2018 Anna Calvi Hunter Domino
KW 35/2018 Joey Dosik Inside Voice Secretly Canadian
KW 34/2018 Tirzah Devotion Domino
KW 33/2018 Ben Khan Ben Khan Caroline
KW 32/2018 Denzel Curry Ta13oo lomavistarecordings
KW 31/2018 Masayoshi Fujita Book Of Life Erased Tapes
KW 30/2018 Dirty Projectors Lamp Lit Prose Domino
KW 29/2018 Florence + The Machine High As Hope Virgin EMI Records