Cover.

Bonobo wagt den nächsten Geniestreich und übertrifft sich einmal mehr selbst. Auf seinem sechsten Album beschäftigt sich Simon Green mit einem der zentralen Themen unserer Zeit: Migration. Politische Fragen werden auf dem mehrheitlich instrumentalen Album aber ausgeklammert, Green geht es viel eher um die "Untersuchung von Menschen und Räumen".

 

In einer höhren Liga mit Four Tet, Jon Hopkins und Caribou geht Bonobo immer wieder neue Wege in der elektronischen Musik und sucht sich seine Inspritation überall. "Es ist interssant, dass eine Person Einflüsse aus einem Teil der Welt nimmt und sich mit diesen Einflüssen bewegt und einen anderen Teil der Welt damit beeinflusst", sagt Green. "Mit der Zeit verändern sich die Identitäten von Orten." Und auch sein neues Album verändert seine Gestalt mit jedem Track. Die epischen Streicher bei Second Sun werden abgelöst von einem nicht weniger verträumten, aber poppigen und deutlich energischeren Surface. Hierauf wiederum folgt das absolute Hightlight des Album, der bouncende Track Bambro Koyo Ganda, in dem gemeinsam mit Innov Gnawa Bonobos Tätigkeit als DJ anklingt.

 

Electronica, Ambient House und Slow House, Global Sounds und weitere Genres mischen sich auf MigrationBreak Apart ist ein poppig-weiches Wiederhören mit Michael Milosh, der sonst Rhye seine wunderschöne Stimme leiht. Nach einem Ambient-lastigen Beginn bricht Outlier das Sphärische auf und macht Platz für progressive Sounds. Schon Grains entführt mit mantraartigen Vocals zurück in kontemplative Klangwelten. Nick Murphy (ehemals Chet Faker) gibt dem über sieben Minuten langen No Reason seine charakteristische Neo-Soul-Note, über einem progressiv treibenden Beat schichten sich mehr und mehr Gesangsspuren übereinander, verweben sich, kommen und verschwinden wieder. Weitere Gastspiele haben Nicole Miglis von Hundred Waters, die marokkanische Band Innov Gnawa aus New York und R'n'B-Künstlerin Brandy, auf deren Song Baby Bonobo seinen Track Kerala aufbaut.

Der Titel Migration kann also im künstlerischen Sinne auch auf die kosmopolitischen Einflüssen bezogen werden. Simon Green ist in der Welt zuhause, im Sydney Opera House aufgetreten, hat ein Festival im Londoner Roundhouse veranstaltet und stand allein seit seinem letzten Album The North Border von 2013 175 Mal auf der Bühne. Migration entstand deshalb in jeder Hinsicht, von den Gesangsparts bis zur Produktion vor allem unterwegs. Dieses Entdeckerische, Rastlose klingt auf Bonobos neuer Platte zu jedem Zeitpunkt an. Bei aller Schwierigkeit in der Einordnung ist Migration damit vor allem eines: Musik für die Weltenbürger*innen von heute.

 

Benedict Weskott (CT das radio)

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