Cover: Viet Cong - Viet Cong

Das Ende der kanadischen Indie-Lieblinge Women kam 2012 ebenso unerwartet wie schmerzhaft. Schon eine ganze Weile zerstritten, setzte der plötzliche Tod Christopher Reimers der Erfolgsgeschichte endgültig ein Ende. Mit nur zwei Alben hatte die Band einen Kultstatus erreicht, den sie sicherlich locker zu mehr hätte ausbauen können. Mit etwas Verspätung machen sich nun einige Ex-Mitglieder der Band daran, diesen nächsten Schritt zu gehen.

Viet Congs erster Vorbote, die EP „Cassette“, sorgte schon im letzten Jahr für Furore. Ungestüme, genreübgreifende Ansätze, die die ganze Bandbreite zwischen nordamerikanischem Punk und Art-Rock abdeckten, ließen die Erwartungen aufs Debüt-Album ins Unermessliche steigen. Und siehe da: Das Warten hat sich gelohnt, „Viet Cong“ ist ein kleines Meisterwerk, das sich vielschichtig und extrem kurzweilig präsentiert. Die düsteren Klänge sind nach wie vor in der Überzahl und sorgen damit für die schwerfällige Grundstimmung des Albums. Viele Songs legen dicht gedrängt Schicht auf Schicht und steigern sich scheinbar immer weiter hinein, nur um am Ende wie nach einem Frühlings-Gewitter in einer wohltuenden Katharsis zu enden. Der Elfminüter und Closer „Death“ treibt dieses Spiel auf die Spitze. Über weite Strecken ein verzweifelter Abgesang in bester Noise-Manier, wird er gegen Ende zu einem feingeschliffenen Post-Punk-Juwel der Marke Wire oder Television.

Doch die Band stellt ebenso ein ums andere Mal ihr Gespür für großartige Melodien unter Beweis. Denn neben den beschriebenen komplexeren Strukturen greifen Viet Cong auch immer wieder auf einfache, tanzbare und damit umso wirkungsvollere Strukturen zurück. Das treibende „Silhouettes“ könnte fast direkt aus der Indie-Disco irgendwann um 2005 herum kommen, wäre da nicht der bedrohliche Gestus von Sänger Matt Flegel. „Continental Shelf“ würde dank des mitreißenden Refrains auch gut ins Stadion passen, wäre da nicht das widerspenstige bis dissonante Feedback. Das geradezu einkalkulierte, selbstauferlegte Understatement, das Aufbrechen aus Strukturen, diese Elemente machen das Album aus.

Diese Haltung geht auch über die Musik hinaus. Kein Facebook, kein Twitter, lediglich einen bescheidenen Bandcamp-Account gönnen sich die Kanadier. Auf der einen Seite passt die Verweigerungshaltung natürlich prima ins coole Selbstbild, auf der anderen Seite ist sie aber mehr als das und illustriert glänzend die Konzentration der Band auf das Wesentliche, nämlich auf die Musik. (fl)

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