eldoradio*

Post-Punk von Joy Division meets Sex Pistols auf Kuschelkurs. Was nach Topffrisur-Boys in skinny Jeans klingt, sind in Wirklichkeit ältere Männer in Cappie, Goldkettchen und Lederschuhen. Jason Williamson und Andrew Fearn von "Sleaford Mods" waren schon auf der Welt, bevor ihre musikalischen Vorreiter gestorben sind. Jetzt lassen sie ihre Musik wieder aufleben - mit echtem englischem Prolo-Charme.

Das Punk-Geschrei von gestern ist im Song "Tweet Tweet Tweet" deklamatorischer Rap – der Rest ist eigentlich wie vor 30 Jahren, minimalistischer, hypnotischer Bass, schepperndes Schlagzeug aus Snare und Bass-Drum und billige Keyboard-Klänge. Nur ist hier nichts hipster, alles vintage, wie guter Wein. Live ist die Mittvierzigerkombo wohl die Bombe – ihre Konzerte sind ausverkauft, der Geheimtipp droht über die Insel zu schwappen, eldoradio* haben sie schon erreicht. Mit dem Album "Divide and Exit" verkünden sie die nicht ganz subtile Botschaft – "Alles ist scheiße". Andrew Fearn und Jason Williamson dreht sich die Welt zu schnell. Der Song "Tweet Tweet Tweet" ist kein Abgesang auf den Frühling - in ihrem Altindustrie-Englisch ertönt moderne Sozialkritik: "All you zombies tweet tweet tweet" – oder eher "twäyt twäyt twäyt".

Dabei haben sie selbst einen twitter-Account, mit 7,5 Tausend (!) tweets. Betrug! Dabei kommen die gar nicht aus Sleaford, sondern aus dem nördlicheren Nottingham. Auch mit den geleckten Mods aus den Vororten der 60er haben die Sleaford Mods nur noch wenig zu tun - der Urpunk fuhr Vespa und trug heimlich Papas Ausgehanzug. Der Post-Post-Punk trägt einen authentisch ungepflegten Bart mit hässlichem Karohemd und fährt Bus. (Anna Chernomordik)

"Tweet Tweet Tweet" stammt vom Album "Divide and Exit"