Cover: Owen Pallett - In Conflict

Wenn einer sein Fleißkärtchen in den letzten Jahren sein mit ganz vielen Glitzersternchen beklebt hat, dann ist das Owen Pallett. Der Kanadier hat in seinem Portfolio mittlerweile Größen wie R.E.M., The National, Beirut gesammelt, unzählige weitere Mainstream-Größen wie Taylor Swift, Linkin Park und Robbie Williams haben bei ihm auch schon wegen seiner Geigen- und Streicherarrangements angeklopft. Unter dem Pseudonym "Final Fantasy" hat Pallett 2006 den renommierten Polaris Music Price gewonnen, außerdem ist er Tourgeiger bei Arcade Fire, bei deren Longplayern er ebenfalls munter mitwirkt.

War noch was? Achja: Vielleicht die Oscar-Nominierung für den Soundtrack von Spike Jonze's Film "Her" gemeinsam mit Win Butler von den genannten Arcade Fire, der sich zwar "Gravity" geschlagen geben musst, aber was soll's. Man merkt: Pallett ist ein gefragtes Arbeitstier. Jetzt geht es eben um das 2. Soloalbum, das Owen Pallett unter Eigennamen veröffentlicht. Und Soundtrack beschreibt die Kompositionen des 34-jährigen hauptberuflichen Loop-Violinisten auf "In Conflict" schon mal ganz gut.

Hier werden große Instrumentierungen aufgefahren. Schon der Opener "I Am Not Afraid" begibt sich auf einen Mittelweg zwischen dramatischer Orchester-Overtüre und beatgetragener Dream-Pop-Ballade. Andersherum brauchen die wohltemperierten Streicher sowie eine treibende Rhythmussektion bei "In Conflict" erst etwas Anlaufzeit, konterkarieren aber dann wunderbar die melancholisch-futuristischen Synthies am Anfang des Titeltracks.

Ohne viel Dramatik geht hier nichts, das merkt man auch an den alles bestimmenden Streichern im folgenden "On A Path". Pallett schafft so eine eindrucksvolle Symbiose aus Soundtrack und Pop. In "Chorale" erinnern die Bläsersätze an Fantasy-Kompositionen aus Film und Gaming, ohne allzu pathetisch zu geraten. Die Kehrtwende gibt's wenig später mit den hektisch instrumentierten "The Riverbed" und "Infernal Fantasy": Ersteres wehklagend sphärisch, das letztere verspielt synthetisch, dass man nicht weiß, auf welche der vielen Klangschichten man sich zuerst konzentrieren soll, bis dann Palletts Stimme aus all der Opulenz heraussticht.

Der textlich nachdenkliche Pallett, der sich zum Beispiel im Opener an seinem aufgrund seiner Homosexualität kinderlosen Leben abarbeitet ("I'll never have any children"), obwohl er Kinder haben möchte, öffnet eine tiefere Ebene. Diese scheint aus einer inneren Ruhe zu kommen, die Pallett in Interviews als beeindruckend reflektierten Zeitgenossen zeigt. Auch das kann ein Grund sein, dass "In Conflict" auf allen Ebenen gelingt: Text, Komposition und Instrumentierung sind dabei so ambitioniert, wie man es von einen Perfektionisten und Tausendsassa wie Owen Pallett (vor seinem professionellem Hintergrund) erwarten würde. Und das alles, ohne sich zu sehr in seine Arbeit hereinzusteigern und allen das ausgefühlte Fleißkärtchen unter die Nase zu reiben. So ist Understatement doch angenehm. (Paul Crone, eldoradio*)

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