Cover: Interpol - El Pintor

Bei allen Kontroversen ist sich die Musikwelt in einem Punkt doch ziemlich einig: Interpols Debüt „Turn On The Bright Lights“ ist sowohl das mit einigem Abstand beste Album der Band als auch ein Meilenstein in der jüngeren Geschichte überhaupt. Damals war das Genre Post-Punk so gut wie ausgestorben, nach dem Album folgte ein ganzer Rutsch von Bands, die Interpol zwar künstlerisch nicht das Wasser reichen konnten, aber sich ähnlich gut vermarkten konnten und teilweise sogar kommerziell erfolgreicher wurden, allen voran die Editors. Wie die Entwicklung Interpols danach zu bewerten ist, ist dagegen strittig. Nicht wenige behaupten, die Band sei von Album zu Album immer ein Stück schlechter geworden. Genauso viele sehen eine Konsolidierung auf sehr hohem Niveau und einige haben seit dem letzten, selbstbetitelten Album mit der Band abgeschlossen.

„El Pintor“ schickt sich an, auch die letztgenannte Gruppe wieder zurückzuholen. Der Opener „All The Rage Back Home“ bringt eine Stimmung zurück, die von Interpol in dieser Klarheit schon lange nicht mehr verbreitet worden ist. Mit majestätischer Kälte wie zu besten Zeiten bahnt sich der Song bedächtig seinen Weg, um schließlich in einem düster-mitreißenden Refrain aufzutauen. Zwangsläufig fühlt man sich hier an die ganz großen Geistesblitze wie etwa „Untitled“ oder „Obstacle 1“ erinnert. So ist es auch wenig verwunderlich, dass man einen weiteren Song dieser Güte auf dem Album nur noch ein weiteres Mal findet: Im punkigen „Ancient Waves“ zetert Paul Banks zu bissigen Drums („Fuck The Ancient Ways“) und steigert sich auf dem Gefrierpunkt angelangt, ins Bedrohliche hinein. Doch auch der Rest muss sich nicht verstecken und glänzt vor allem durch die imponierende Geschlossenheit. Wut, Melancholie und ein Blick immer geradewegs in den Abgrund gerichtet, verleihen „El Pintor“ eine ebenso durchgängige wie raumgreifende Dunkelheit. So lückenlos gestrickt, dass sich „Tidal Wave“ mit seinen Jangle-Anleihen mühelos in den Kontext einreihen kann.

Den Ausstieg der einst prägenden Figur Carlos Dengler bemerkt man nur, wenn man es wirklich darauf anlegt. Die Band hat sein unnachahmliches Bass-Spiel überraschend adäquat ersetzt. Paul Banks spielt ihn zwar nicht mehr so dominierend in den Vordergrund, doch auch er weiß ihn wirkungsvoll einzusetzen, um so weiterhin die ganz besondere Interpol-Atmosphäre zu erschaffen. Zusammen mit seinem legendären Falsett macht ihn das endgültig zur tonangebenden Figur, die es aber vermeidet, zu sehr ins Rampenlicht zu drängen. Auch diese Bescheidenheit ist Teil des Erfolgsrezepts von „El Pintor“. (Felix M. Lammert-Siepmann, eldoradio*)

Ein Making Of gibt es hier zu sehen.

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