
Pop will eat itself. Und im Falle von Michael Fakesch hat er besonders großen Appetit. Im Zirkel der strategischen Reaktionen auf das aktuelle Mediengeschehen und im Kontext der Selbstbezüglichkeit, schlägt die ehemalige Hälfte der 2006 aufgelösten Formation „Funkstörung“ aber den besten Weg ein: Seinen eigenen. Kein Wunder, dass er nur die Fragmente aus „Funk“ (viel) und „Störung“ (wenig) neu mischen braucht, um sie auf seinem zweiten Soloalbum zu einer gehaltvollen Melange zu verlöten. Eine Collage, die das Gestern mit dem Heute verbindet und spielend Salven in Kopfhörer und Clubs feuert. Denn „Dos“ weiß um seine Stärken und spielt sie gnadenlos aus.
Gleich zu Beginn wird das Arschwackelzentrum auf Dauerschwung programmiert. „Escalate“ seufzt mit kokettierenden Melodien und lässt die Tanzbeine aufreizend schwingen. Die falsettierte und manchmal leicht zu dünnliche Stimme von Taprikk Sweezee verleiht ihr und den anderen Tracks auf „Dos“ die nötige Portion blue-eyed Soul, damit die sonst feinsegmentierten Beats nicht ein pauschales Gefühl ästhetischer Kühle zurücklassen. „Soda“, die erste Single, lässt erstmalig die Schwüle des Funks aufblühen. Fette, aber nicht unnötig überakzentuierte synkopische Basslinien und raffinierte Bläsereinsätze lassen dabei kurzzeitig vergessen, in welchem Jahrhundert wir uns befinden.
Dies ist auch das prägende Etikett einer Platte, die neben behutsam-ruhigen Absackern nicht mit laptopweise High-Tech-Gewusel, sondern lebendiger, beinahe nostalgischer, Tanzmusik aufwartet. Wer da „oldskool“ ruft liegt richtig und muss attestieren: Das funktioniert effektiv wie ein schlichter Doppelpass. Das Zeitgemäße des elektronischen Unterbaus darf natürlich nicht vergessen werden, ist hier aber nicht Selbstzweck, sondern stellt sich in den Dienst des großen Ganzen. Dass die Beats nicht immer wie angegossen passen und wie bei „Miko“ gar als angezogene Handbremse fungieren, hat dabei System. Das aufreizende Stolpern macht einen Teil der lauten Schönheit aus; das Programmieren der Ungenauigkeiten ist gewinnbringend. Und ihre Unperfektheit verführt geradezu einnehmend. Auf die modernen Spielereien mit elektronischem Sounddesign hingegen will Michael Fakesch natürlich nicht gänzlich verzichten und versteckt sie zweckdienlich dezent im Hintergrund: Verhallte Vocals, schnalzende Bassdrums, knusprige Loops und knisternde Antizipationen. Der Teufel steckt im Detail.
Das Schlurfige in „Wire“, das augenrollendes Stück Beatboxing in „Give It To Me“ oder die zuckenden Beats von „On The Floor“ fachen hingegen mit offensichtlicheren Mitteln Höchstleistungen an, bis die Lautsprecher Feuer fangen. Wenn sich abschließend noch der Soul durch die Hintertür einschmuggelt ist letztlich die Brücke zu schwarzer Musik unüberhörbar, die bekanntlich musikgeschichtlich auch die Basis elektronischer Beatwissenschaften bildet
Nur die durch den Fleischwolf gekurbelten Sekunden von „Crest“ fallen auf „Dos“ etwas aus dem akkurat gehängten Rahmen, manipulieren die tänzelnden Beine zu nickenden Köpfen und bauen sich drumherum eine Chaostheorie aus hereinstürzenden Klangelementen auf. Bit-Hopping und verkokstes Freak-Out. Davon müsste sich im digitalen Wühlzimmer des Rosenheimers für das nächste Album doch eigentlich noch mehr finden? Die Zerfilterung von Sounds und Rhythmen zu Kaskaden des Derangierten hätte an manchen Ecken und Enden Sinn gemacht. Aber die stressige Lust an der Dekonstruktion liegt ihm dieses Mal fern. Kluge Brechungen darf man kaum erwarten. Zumindest dürfte aber somit klar sein, dass sich Michael Fakesch und sein exaltierter Soulboy auf das Ziel ihres Tuns festgelegt haben: Sie wollen die Leute tanzen sehen! Das Vermächtnis des Pop, das Erbe von Funk und R’n’B mischt sich mit den verwegenen Harmonieausflügen eines Prince und gesunder Experimentierfreude. Bootsy Collins, Derrick May und Aphex Twin hätten hierzu quergetanzt. Jamie Lidell würde es lieben. „Dos“ ist eine Skulptur aus Grooves und blubbernden Luftblasen, dabei ein bisschen zu steril und zu wenig verraucht. Fast aufgeräumt zurückhaltend auch die Produktion.
Dennoch stimmen die Rhythmusattacken eindeutig positiv. Eingängig, aber nicht hitlastig. Roh, grob, voller Ecken und Kanten, jedoch zum Gesamtwerk begradigt und abgerundet. Die Lautstärke und die Schwingungen der Bassmembran sollten Übriges erledigen. Die Summe der einzelnen Teile verbindet hier schmackhaft nostalgische Anklänge mit dem Morgen. Guten Hunger! (Markus Wiludda)
Künstler: [[http://www.michaelfakesch.com/, Michael Fakesch]]
| Label: [[http://http://www.k7.com/, !K7]]
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