Avantdale Bowling Club - Years Gone By

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch verschwommen an die Zeit, in der man lieb gewonnene Momentaufnahmen nicht auf dem Smartphone gespeichert, sondern in ein handfestes Fotoalbum einsortiert hat. Fein säuberlich wurde Erinnerung neben Erinnerung geklebt und per Hand mit einer winzig klein gekritzelten Zahl versehen.

Diese Zahlen lauten 2000- oder 1900-irgendwas und haben eine ziemlich nervige Angewohnheit. Sie teilen dem Betrachter mit einer
unverblümten Direktheit mit: „Übrigens, du bist ganz schön alt geworden.“

Na toll. Schnell zuklappen und weg mit der verstaubten Mappe. Es sei denn, man hat den passenden Soundtrack für eine gepflegte Melancholie parat. Denn das Schöne ist doch: Je älter wir werden, desto mehr gibt es auch zu erzählen. „Now let’s take it all the way back to ’84“, denn hier geht die Geschichte los. Zumindest für den neuseeländischen Rapper Tom Scott. Mit seinem Jazzprojekt Avantdale Bowling
Club
und dem Titel Years Gone By lässt er sein Leben in einem musikalischen Zeitraffer Revue passieren. Ehrlich und lückenlos. Ein Jahr nach dem anderen.

„In ’85, he ran and in ’86 we flew, from a kingdom united into a land in two. In ’87 we settled, in ’88 we moved into a place called Avondale, first day in school.“ Seine Kindheit scheint dem Rapper leicht über die Lippen zu gehen. Wirklich kompliziert wird es erst später, dann wenn die Zeit plötzlich betäubend schnell vergeht, wenn die Verantwortung erdrückend wird und das Erwachsenwerden keine freiwillige Option mehr ist. „Next year I got dumped, and that whole year I got drunk, that was '02 then '03 my old man got done for some dumb shit, got one year and that year I got numb.“

Nicht nur textlich, auch musikalisch hat Avantdale Bowling Club einiges mitzuteilen. In der Tiefe brodeln die Drums. Klavier und Kontrabass sorgen für den typischen Jazz-Sound. Darüber schwebt eine sich windende und sich immer wieder neu formende Saxophon-Melodie, die an Free Jazz, also Improvisation, erinnert und so lange den Ton angibt, bis Tom Scott einsteigt und den Part des Erzählers weiterführt.

Die Rollen sind klar verteilt, trotzdem spielen alle Interpreten auf einer gemeinsamen Ebene. Das Klavier treibt nach vorne, die Drums genauso. Es geht weiter, weiter, weiter. Ganze sieben Minuten lang. Dann sind die ersten Jahre vorbei und Tom Scott ist angekommen. Zumindest fürs Erste.

Ein ganz leises, entferntes Flimmern sorgt für das beruhigende Gefühl, dass das noch nicht alles war. Man muss kein alteingesessener Jazzer sein, um Gefallen an Avantdale Bowling Club zu finden. Eine Musik für nebenbei ist es aber trotzdem nicht. Tom Scott fordert mit seiner
Jazz-Hip Hop-Fusion eine gewisse Aufmerksamkeit. Wer Spaß an aufrichtigen Texten und subtilen musikalischen Feinheiten hat, wird aber ganz schnell merken, zuhören lohnt sich! Also: Fotoalbum raus, Kopfhörer auf und „here’s to the years gone by“!

(Sophia Fischer, eldoradio*)

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