Crystal Castles - Air War
Fast dreißig Jahre ist es her, da sich das Spektrum und das Experimentierfeld für elektronische Musik entscheidend hatte verändern können. War es seit den Sechzigern bereits möglich Töne in ihrer Frequenz zu modulieren, befeuerte der Fairlight CM die elektronische Spielwiese um die Möglichkeit des Samplings. Das war 1979. Visionäre des Pop wie Kate Bush und Peter Gabriel nahmen sich der Arbeit in diesem völlig neuen Feld der Komposition an und tüftelten auf ihren zu Beginn der Achtziger erschienen Alben kräftigst mit diesen. Heute sorgen hervorragende Samples für fette Missy Elliot Singles und die Unverwechselbarkeit von Künstlern wie CocoRosie und Björk, da müssen dann auch schon mal Küchengeräte und Lavaquellen als Tongeber herhalten. So radikal wie die Crystal Castles, welche sich nach dem Palast von She-Ra, des He-Man Gegenstücks, benannt haben, treibt es jedoch heutzutage wohl niemand auf die Spitze. Die beiden Kanadier Ethan Kath und Alice Glass, zerhackstückeln Vocallines, klauen aus Atari-Video-Spielen und fügen die isolierten Soundfragmente so liebevoll und versiert zu einem Ganzen zusammen, dass man sie trotz des offensiven Recyclings niemals als bloße Nachahmer titulieren würde. Zu sehr liegt ihr Fokus auf Komposition und zu verwachsen sehen sie sich trotz der offensichtlichen Dekonstruktion, dem Harmonieempfinden des Pop. „Air War“ darf hier als Opus ihres Debüts „Crystal Castles“ verstanden werden. Was als selbstvergessener Singsang, ähnlich einem Schlaflied, beginnt, wächst doch zusehends über sich hinaus und es dauert nicht lange bis Beine und Gemüt erfasst sind. Daraufhin scheint das Stück sich letztlich über allem thronend im Nichts zu verlieren, droht körperlos zu werden, fast kitschig, um dann doch endlich greifbar zu sein. Doch bevor man dies realisiert hat, ist es auch schon wieder vorbei mit dem ganzen Zauber und die Crystal Castles verstummen so unaufdringlich wie sie sich angekündigt haben. Vielleicht liegt ihre ätherische Anziehungskraft auch einfach in der Tatsache verborgen, dass einem Kind der frühen Neunziger die Samplings so zutiefst vertraut vorkommen aus stickigen Computerzimmer oder halbverdunkelter Kinderbutze,dann doch irgendwie unter Nostalgie verbucht werden müssen und damit der Zauber schon gelüftet wäre. Diesbezüglich sollte sich wohl jeder selbst ein Bild machen. Dass sich hinter der Soundästhetik der Kandier eine gehörige, wie mutige Portion Avangarde versteckt hält sollte hier in der Angst vor zu schnell ausgesprochenen, unwürdigen Vergleichen noch erwähnt werden, den Rest überlasse ich mal dem Gemüt eines jeden einzelnen. (Michael Pagels) Künstler: [http://www.myspace.com/crystalcastles, Crystal Castles] | Label: [http://www.lastgangrecords.com, Last Gang]

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