Botticelli Baby - Junk

Sandro Botticelli wäre sehr wahrscheinlich sehr wütend, würde man ihm die Songs der Band Botticelli Baby vorspielen. Besonders bei Hold On vom neuen Album Junk würde dem italienischen Maler der Kragen platzen, weil da eine Gruppe mit seinem Namen gottlose Musik macht. Der Italiener Botticelli malte zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert christliche Bilder unter anderem die Madonna mit Kind und zwei Engeln. Die Band Botticelli Baby singt 2018 „What you call God, hold on, hold on, just a dead baby in the arms of a mother that cries“.

Der Songtext aus Hold On verdeutlicht, wo die Band aus Essen klanglich hinwill. Junk heißt das zweite Album und der Titel soll für eine Mischung aus Jazz und Punk stehen. Ein bisschen schmutzig und befleckte Jazzmusik, die zeigt sich in den Texten, aber auch darin, wie die Songs gesungen und gespielt werden. Auf Saying Goodbye verabschiedet sich die Band von einer Welt, in der es Nazis gibt. Dabei handelt es sich dann nicht um einen Gruß, irgendwie klar, sondern um eine laut geschriene Aufforderung: „Goodbye, you racists, goodbye, motherfucker!“ Dazu spielen die Bläser aggressive, teils schiefe Töne. 

Junk ist auch deshalb ein spannendes Album weil der Einsatz von Bass, Klavier, Saxophon und Trompete nie vorhersehbar ist. Romance Of The Robin hat ein minutenlanges Intro, in dem außer Klavier und etwas das wie eine Harfe klingt kaum etwas passiert, plötzlich legt die Band mit Balkanmelodien und Brass-Sound los. Dadurch klingen die Songs oft nach musikalischem Chaos oder einer spontanen Jamsession im Proberaum in Essen. Botticelli Baby setzt die Instrumente aber ganz gezielt ein. Wie bei einem Jazzkonzert bekommen Saxophon (Saying Goodbye), Bass (Hold On), Klavier (Mixtape), Trompete (Tout Abus Sera Puni) und Co. ihre Zeit für ausgiebige Soli.

Auf einem Konzert wird das Solo beim Jazz oft vom Publikum mit einem Klatschen gewürdigt, meistens nach dem ein Sänger den Namen seines Bandkollegen am entsprechenden Instrument gebrüllt hat. Bei Botticelli Baby gibt’s auf dem Langspieler keine Namen der siebenköpfigen Band zu hören, aber es werden gelegentlich aufmunternde Schreie wie ein „Whoooo“ oder „Yeaaah“ reingebrüllt. Dadurch bekommen die sowieso schon schwingenden und pulsierenden Songs noch ein Mehr an Power und Junk wirkt wie ein Mitschnitt vom Live-Konzert oder eben wie der kleine Live-Moment über Kopfhörer.

(Julian Beyer, eldoradio*)

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