Tirzah - Devotion

Viele haben schon versucht, Tirzahs Klang zu beschreiben. Als sie als vielversprechendes Talent aus Essex im englischen Süden ihren ersten Song released schreibt ein Londoner Blog von „the strangest pop music around“. Das Label Domino nennt den Sound von Tirzah heute „Post-Grime“, wobei sich hier erstmal die Frage stellt, was das überhaupt sein soll. Nach Elementen des Grime, zum Beispiel den schnellen, aggressiven Beats, sucht man auf ihrem jetzt erschienenen Debüt Devotion jedenfalls vergeblich.

Nimmt man den Titeltrack des Albums klingt Tirzah eher ein bisschen nach Folter. Es hört sich an als würde Alicia Keys gefesselt auf ihrem Klavierhocker sitzen, sodass sie nur mit einer Hand an die Tasten kommt. Daraus entsteht ein müdes Geklimper, dazu ein R’n’B-ähnlicher Beat, und jedesmal wenn sich ein Refrain andeuten könnte, geht es weiter wie zuvor. Dieses Monotone lässt die Songs auf dem Album, die eine Länge zwischen drei und vier Minuten haben, viel länger wirken. Tirzah singt soulig, klingt aber so als würde sie irgendeine Kraft zurückhalten und nicht frei aufspielen lassen.

Basic Need klingt wie der Soundtrack in einem 90er-Jahre Actionstreifen, der einen amerikanischen Cop durch Shanghai schickt. Dann gibt’s einen Schnitt und der Beat wechselt wieder in diesen Minimalismus aus langsamen Beats, die gelegentlich zappeln und mit Effekten aufgewertet werden. Die Soundarrangements sind aber fast immer kurz vorm Ruhemodus als wäre der Akku auf Super-Energiesparen eingestellt. Nur einmal kann Tirzah auch losgelöster: Holding On beginnt wie ein alter Beatles Song, auf ihrer Stimme liegt Hall bei einem Downbeat, wie ihn The Streets nicht besser hätten machen können.

Devotion ist ein klanglich spannendes Album, textlich legt Tirzah ihre Gefühle offen. „I just want your attention, I just want you to listen, I don’t want a solution, I just want to explain things“, singt die Britin auf Devotion. Es geht oft um Trennung, die Zeit nach der Trennung, Liebeskummer, selten um glückliche Liebesmomente, vielmehr um Streitigkeiten. „Don’t raise your voice to me“, singt Tirzah. Der Titel des Songs ist die Konsequenz: Go Now! Die Songs haben dazu lange Instrumentals als würde Tirzah den Hörerinnen und Hörern Zeit geben wollen, ihre Gefühle verarbeiten zu können, vielleicht braucht sie diesen Ruhemoment aber auch selbst.

(Julian Beyer, eldoradio*)

RÜCKSCHAU

KW 35/2023
Slowdive Everything Is Alive
KW 34/2023
Genesis Owusu Struggler
KW 23/2023
Christine and the Queens ANGELS, PARANOÏA, TRUE LOVE
KW 06/2023
Young Fathers Heavy Heavy
KW 05/2023
King Tuff - Smalltown Stardust
King Tuff Smalltown Stardust

ARCHIV

WOCHE Künstler/Band NAME DES ALBUMS/SONGS MUSIKLABEL
KW 32/2018 Denzel Curry Ta13oo lomavistarecordings
KW 31/2018 Masayoshi Fujita Book Of Life Erased Tapes
KW 29/2018 Florence + The Machine High As Hope Virgin EMI Records
KW 28/2018 Drake Scorpion Young Money
KW 27/2018 Let’s Eat Grandma I’m All Ears Transgressive Records
KW 26/2018 Erased Tapes 1+1=X Erased Tapes
KW 25/2018 Yuno Moodie Sub Pop
KW 24/2018 Kolars Kolars Cloudshill
KW 22/2018 Örvar Smárason Light Is Liquid Morr Music
KW 17/2018 Die Nerven Fake Glitterhouse