Cover: Olli Schulz - Feelings aus der Asche

Seit Anfang Dezember hat die Joko-& Klaas-Jugend etwas dazu gelernt: Der Olli Schulz, der ist gar nicht nur Komiker, sondern macht auch Musik.
Zur Erleichterung vieler trägt sein Album immerhin einen ulkigen Namen: "Feelings aus der Asche". Wortspiel. Das ist doch jetzt sicher aber lustig gemeint, oder? Nein, das sagt uns: hier geht es wirklich um Gefühle. Olli Schulz singt mit kaum mehr einem Augenzwinkern vom Anders sein, vom Berühmt sein, vom Alt sein, vom Verliebt sein - von seinen echten Gefühlen. Und das hat die deutsche Pop-Welt lange nicht so schön melancholisch, tanzbar und ausgeglichen gehört.

Der Opener des Albums "So muss es beginnen" ist mit gutem Gewissen wegzuskippen. Ein kleines Intro sei ja erlaubt, aber der "Song groovt" einfach zu erzwungen, biedert sich mit fröhlichem Rasselschwingen und etwas aufgesetzten Reimen dem Positiv-Hörer an.
Gut, dass auf Platz zwei direkt der Hit des Albums folgt. Treffsicher hat Olli Schulz mit "Phase" den tanzbarsten Song der Platte als Vorab-Single gebracht. Die Geschichte ist simpel: Ein Mädchen, das von allen bewundert wird, fühlt sich mit diesem Status eigentlich überfordert. Und Olli? Der ist längst verliebt in sie, wartet aber mit Ruhe, bis sie ihn bemerkt.
Das ist genau die traurige Romantik, die Olli Schulz als einsamen Texter ausmacht. "Liebe ist so doof, wenn man am Ende nur bezahlt", hat er uns 2012 in seiner Single "Wenn es gut ist" erklärt und wir müssen fürchten, dass es auch drei Jahre später wieder darauf hinausläuft.

Neu ist dabei, dass Olli Schulz jetzt bekannt ist und seine persönlichen Texte uns für einen Promi erschreckend intim erscheinen. Im Track "Passt schon!" bekommen wir Einblick in den Zwiespalt seines Lebens. "Ob ich wirklich gut bin, entscheiden nur die Klickzahlen" raunt er durch einen dunklen Filter und belacht sich selbst: "Ja, das kommt davon, wenn man nichts gelernt hat." Dieses Muster zieht sich angenehm tröpfelnd durch den ganzen Song. Es ist ein Wechsel zwischen tiefen Bass-Tönen und hellen Synthies, zwischen gehetztem Gesang in heller Doppelstimmigkeit und tiefer Resignation in Sprechparts. Der Song klingt passend unentschlossen: Will ich mich wirklich beschweren, dass alle mich kennen und lustig finden?

Persönlicher wird es für Olli Schulz nur noch, wenn es um Musik geht: "Als Musik noch richtig groß war". Eine raue Akustik-Gitarre bereitet uns in der ersten Minute vor, auf die Tiefe und schwere dieses Songs, die sich schließlich in heftigen Anschlägen und einem hämmerndem Klavier steigert, innehält, nur um dann nochmal richtig loszulegen. Es geht einzig um die Liebe zu Musik und das Gefühl, dass sich was geändert hat in den Jahren.
"Dieser Song endet nie" singt Olli als Entschluss, dass seine Liebe nicht aufgebraucht sein wird, wenn er alt ist oder wenn er zu beschäftigt ist, um hinzuhören und als beweis fadet die Gitarre aus, als würde sie woanders weiter spielen, nicht verstummen.

"Feelings aus der Asche" ist nicht lustig gemeint, kann aber unterhalten. Der Song "Dschungel" ist eine anderthalbminütige Rock-Nummer, düster wie ein EA80-Punkkracher und ebenso unverständlich. Der Song könnte aus der Feder vom frühen Bela B. stammen: witzig, gruselig und undurchsichtig.
Gleichzeitig kann das Album traurige Teenager zum heulen animieren, mit kitschiger Mehrstimmigkeit und schön dumpfem Schlagzeug in "Kinder der Sonne" oder einfach mit der verflossenen Liebesgeschichte im Titeltrack "Feelings aus der Asche".
Diese eindeutigen Lieder sind dabei aber eher die Ausreißer, experimentell bis absolut erwartbar. Besonders wird das Album nicht durch diese Eindeutigkeit, sondern gerade durch die Zwischentöne, durch die Ambivalenzen, die simplen Arrangements und die Ehrlichkeit.

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