Cover: Nozinja - Nozinja Lodge

Shangaan-Electro“- Diese Wortneuschöpfung steht für eine südafrikanische Musikrichtung die von Künstler Nozinja begründet wird. Sein Debüt-Album „Nozinja Lodge“ erfindet so seinen eigenen Musikstil und entgeht automatisch einer traditionellen Genreeinordnung. Dabei sind die Begriffe „Shangaan“ und „Electro“ so gegensätzlich, wie sie nur sein könnten: Die Shangaan sind eine südafrikanische Ethnie, die zu den Tsonga gezählt wird. Und wie könnte es anders sein: es handelt sich um einen äußerst musikalischen Volksstamm. Viele Einflüsse und Traditionen aus benachbarten Volksgruppen, aber auch Richtungen der ehemaligen Kolonialbesatzer werden bei den Shangaan in einem ganz eigenen Musikstil zusammengefasst. Was dabei herauskommt ist eigentlich schon kreativ und unkonventionell genug. Nozinja, der mit bürgerlichem Namen Richard Mthetwa heißt, geht mit seiner Musik noch einen Schritt weiter. Er verbindet gekonnt die traditionellen Klänge mit einem Genre, das für einen jungen und dynamischen Lebensstil fernab verstaubtem Traditionalismus‘ steht: die elektronische Musik.


Elektronisches aus Südafrika kennen wir schon seit den 90ern: „Kwaito“ ist in den Townships entstanden. „Shangaan-Electro“ hat deutliche parallelen zu dem Sitl, ein Unterschied ist aber das stark angezogene Tempo. Damit lassen sich bei Shangaan eher Parallelen zu Künstlern wie Zinja Hlungwani, Mualusie und dem besonders in Südafrika bekannten US-DJ Rashad ziehen. Die Drum-/Beat-Strukturen des „Shangaan-Electro“ erinnern bei Nozinja eher an Reggae und Roots. Darüber legt sich ein meist mehrstimmiger Gesang, der stereotype Bilder eines tanzenden Volksstammes hervorruft.

„Mitshetsho We Zindaba“, so der zweite Song des Albums, schöpft aus dem vollen afrikanischen Klänge-Baukasten, der Nozinja zur Verfügung steht: Nach einem für die Reggae-Musik typischen Lyric Opener einer Männerstimme, folgt ein treibender Beat, der mindestens ein Wippen im Fuß verursacht. Wenig später gesellt sich ein traditionell anmutender, mehrstimmiger Gesang dazu, der einem das Gefühl gibt, südlich des Äquators um ein Lagerfeuer zu sitzen. Reizüberflutung lautet hier das Motto. Aber keineswegs in einem unangenehmen Maß. Die Musik wirkt trotz der unterschiedlichen Soundstrukturen nicht unharmonisch.

Der Song „Nyamsoro“ wird eingeleitet durch Klänge einer Orchesterbesetzung, die durch eine Marimba ergänzt werden. Das ist ein traditionelles Instrument in Afrika. Die meisten kennen den Sound wahrscheinlich von ihrem Smartphone aus der Klingeltonauswahl, klingt ein wenig, wie ein Xylophon und sieht auch so aus – nur überdimensional groß. Zum noch ungewohnteren Klangerlebnis wird „Nyamsoro“ dann durch die auf dem Album allgegenwärtige Kalebasse – also einem ausgehölten, getrockneten Fleischkürbis. Hier zeigt sich besonders die Variationsbereitschaft, mit der Nozinja seinen „Shangaan-Electro“ und eben sein Debüt „Nozinja Lodge“ produziert. Dabei geht es Nozinja darum, einen Identifikationspol für seine Landsleute zu schaffen, die in großer Zahl nach Johannesburg aufbrachen um dort eine Arbeit zu finden. „Shangaan-Electro“ ist so vermutlich auch eine Art „Heimatanker“ für all diejenigen, die ihre Dörfer verlassen mussten um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Die Unbefangenheit der einzelnen Musikinstrumente und –stile erschaffen eine ganz eigenes Musikerlebnis, auf das man sich - zugegeben – erst einmal einlassen muss. Hier erwartet einen ganz klar ein Bruch mit Hörgewohnheiten der westlichen Welt. Wenn man sich jedoch einmal auf das progressive Abenteuer begeben hat, entdeckt man beim durchhören stets neue Klangkompositionen, die ein Hauch von Weltmusikcharakter verbreiten. Aber eben nur einen Hauch. Insgesamt gesehen überzeugt das Album durch seine liebevolle Klangkomposition. Im Hinblick auf den Variationsreichtum hätte "Nozinja Lodge" aber doch ein wenig abwechslungsreicher insbesondere in der Makrostruktur der Songs werden können.

Zu den elektronischen Elementen hat Nozinja übrigens seinen ganz eigenen Zugang: bevor er sich der Musik widmete, verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Reparieren von Mobiltelefonen mit seiner eigenen Ladenkette. (Julian Minor | CT das radio)

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