Cover: Machinedrum - Vapor City Archives

Jedes Machinedrum-Werk war schon immer durchzogen von Heterogenität. Der Experimental-Elektroniker Travis Stewart aus North Carolina ist bekannt für seine große Affinität zu tendenziell polyphon strukturierten Elektro-Genres wie Drum And Bass und Dubstep als auch einer leicht sichtbaren Schwäche für Hip-Hop und House-Ansätze. Ohne lange Veröffentlichungspause komplettiert sein neuester Streich nun das "Vapor City"-Projekt. Hier wird wieder deutlich, wie facettenreich Bassmusik sein kann.

Konzeptuell kreist alles um eine Fantasie-Stadt mit vielen Bezirken, die musikalisch seit letztem Jahr mit vielen Soundbauten errichtet wurde. Nicht nur der Album-Vorgänger "Vapor City" allein, sondern auch viele Remixe und eine EP-Reihe, konturierten das Bild einer Stadt, in der wirklich jeder Stadtteil einer ausdifferenzierten Eigenlogik folgt und verwaltungstechnisch dennoch alles glatt läuft. So wirkt auch die Trackstruktur auf "Vapor City Archives" dezentralisiert, aber nie chaotisch.

Die Bewohner kann man sich immer noch als glückliche Menschen vorstellen. Denn Stewart präsentiert auch auf der Fortsetzung geschmeidige, nahezu behutsame Schnittpunkte aus Ambient, Dub, House, Drum And Bass und seichten Soulpop-Skizzen. Auch wenn der verschlungene Opener "Boxoff" zu Beginn nach klarem Fall von einer Thom Yorke-Hypnose klingt. Nach eineinhalb Minuten entpuppt sich der Track als zwar ordentlich aufgeladenes, aber auch fast luftiges Gerüst aus dubbigen Beats und Darth-Vader-Stimmen. Ein Archiv von Track, der gleich in mehrere Richtungen schielt. Dass man Schwierigkeiten hat, den Stadtplan zu lesen, muss gar nicht stören. Hier ist es wirklich überall ganz schön.

Nach dem Einstieg geht es aber viel gediegener weiter. Die Drum-and-Bass-Rekurse wirken im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierter. Dafür sind die sublim eingebauten Klavier-Passagen aber geblieben und auch die im Albumverlauf in der Mitte angesiedelten Interludes, beziehungsweise Miniatur-Tracks klingen leicht verrauscht und raschelnd. Insgesamt wirken die Archive zurückhaltender und um einen Hauch melancholischer (Akustikgitarre meets pluckernde, tackernde Beats). Einige Momente lassen dann sogar Assoziationen zur aktuellen Caribou-Platte zu, der übrigens wie Machinedrum in Berlin haust. Momentan tatsächlich nicht nur nerviges Klischee, sondern echte Brutstätte für nerdige Soundskulpturen.

Was bei Machinedrum jedoch absolut identisch geblieben ist, das ist der permanente Wandel. Seziert man die Stücke, wird klar: vieles ist repetitiv und dennoch ist man geneigt, den weiteren Verlauf als nicht vorhersehbar einzustufen. Will man den Verdienst von Machinedrum auf eine Formel bringen, dann ist es wohl vor allem sein Gespür für Fusionen von Hektik und Tiefenentspannung: "Hard 2 Be" poltert mit viel Jungle-Bässen, Snare-Drums und Percussion und wirkt – trotz des Tempos – durch die Soul-Samples nahezu einbalsamierend. Während hier also Drum And Bass entschleunigt wird, verknüpft "2 B Luvd" noch schnell die Koordinatenpunkte von Dub und Hip-Hop-Beatbox-Beats, bevor das Schlusslicht "Endless <3" sich in Sachen Ambient mit Synthie-Tupfern übt.

Unternimmt man den schwierigen Versuch, das Werk im Kontext der bisherigen Vita von Machinedrum zu diskutieren oder leidet an einer unersättlichen Klassifikationsgier, ließe sich vielleicht anfügen, dass auf dieser Scheibe am meisten Einheit in der Vielheit erkennbar ist. (Philipp Kressmann, CT das radio)

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KW 26/2018 Erased Tapes 1+1=X Erased Tapes
KW 25/2018 Yuno Moodie Sub Pop
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