Cover: Karies - Es Geht Sich Aus

Lange Schrammelpassagen und weite Instrumentalflächen prägen das neue Album Es geht sich aus von Karies. Während die Stuttgarter Jungs beim Vorgänger schon sparsam mit ihren Worten umgegangen sind, ist der Gesang beim Nachfolger zuerst recht rar gesät – und erzeugt dadurch einen See aus Musik, in den man eintauchen muss.

Minimalistisch mag man sie nennen, die Gesangsmomente bei Karies. Wenn Sie auftauchen, werden Phrasen oder Wörter ad nauseam wiederholt, teilweise wie Sprechgesang. Das Fundament für diese Gesangsfetzen bilden treibende, stoische Bassläufe und hallgeladene, repetitive Gitarrenriffs voller Dissonanzen. Schlagzeug und Produktion kommen von den befreundeten Die Nerven – eine passende Kollaboration für dieses Post-Punk-Werk.

Auch Bands wie Trümmer oder Messer kommen beim Hören von Es geht sich aus in den Sinn, aber Karies sind weniger auf Poesie oder Experimente aus. Ausladende Lärmbäder und die düstere, dreckige Stimmung stehen hier deutlich im Vordergrund. Nein, man kann nicht „mal eben“ in das Album reinhören. Hier ist Einsatz gefragt, um alle elf Lieder am Stück durchzuhören und das Konzept als Ganzes zu erleben. Denn nur dann taucht man wirklich in diesen See aus No-Wave-Geschrammel und sphärisch-hypnotischer Repetition ein.

Auch wenn Karies sich simpler ausdrücken als etwa die Genre-Kollegen von Messer, können sie eine Schwere vermitteln, die gut zum Druck der Instrumentalisierung passt. Die Single Keine Zeit für Zärtlichkeit – man kann diesen Songtitel als übergreifendes Thema des Albums ansehen – stellt uns beispielsweise vor vollendete Tatsachen: „Das Leben wird mit allem fertig / Das Leben wird auch mit Dir fertig.“ Und Pervers erläutert menschliche Züge, die erschreckend ehrlich erscheinen: „Alleine kann man schlecht pervers sein / Ich muss mal wieder unter Leute gehen.“

Das zweite Album von Karies ist garantiert keine leichte Hörerfahrung. Man muss sich damit auseinandersetzen, sich damit beschäftigen, so wie mit allem im Leben. Das macht Es geht sich aus dann aber auch zu einem besonderen Erlebnis, mit allen Ecken und Kanten und dem Gefühl, es hinterher bezwungen zu haben. In Es geht sich aus sollte man definitiv einmal eintauchen. (Sebastian Seifert, CampusFM)

 

 

____________
Der Silberling der Woche ist eine Kooperation der Campusradios
CT das radio, Campus FM und eldoradio* unter dem Dach der Campuscharts.
Daher findet ihr hier jede Woche eine Rezension zu einem besonders interessanten Album, wechselweise von den Musikredaktionen dieser drei Campusradios verfasst.
Checkt auch: www.silberlingderwoche.de

RÜCKSCHAU

KW 35/2023
Slowdive Everything Is Alive
KW 34/2023
Genesis Owusu Struggler
KW 23/2023
Christine and the Queens ANGELS, PARANOÏA, TRUE LOVE
KW 06/2023
Young Fathers Heavy Heavy
KW 05/2023
King Tuff - Smalltown Stardust
King Tuff Smalltown Stardust

ARCHIV

WOCHE Künstler/Band NAME DES ALBUMS/SONGS MUSIKLABEL
KW 29/2019 Blood Orange Angel's Pulse Domino Records
KW 27/2019 Tyler The Creator Igor Columbia
KW 24/2019 Kate Tempest The Book Of Traps and Lessons Caroline
KW 22/2019 The National I Am Easy to Find 4ad/Beggars Group / Indigo
KW 20/2019 Rosie Lowe YU Caroline
KW 18/2019 Aldous Harding Designer 4AD
KW 17/2019 Stella Donelly Beware Of The Dogs Secretly Canadian / Cargo
KW 16/2019 Billie Eilish When We Fall Asleep Where Do We Go? Darkroom/Interscope Records
KW 15/2019 Yves Jarvis The Same but by Different Means Anti/Epitaph
KW 12/2019 Dave Psychodrama Neighbourhood