Cover: JPNRGRLS - Divorce

Das zweite Album ist entweder experimentierfreudig oder entscheidend für den tatsächlichen Sound einer Band. Bei den Kanadiern von JPNSGRLS trifft beides hervorragend zu: Auf Divorce haben sich die vier Garagenrocker in ihrem Sound gefunden – außerdem verspricht das Album Nostalgie für alle, die mit dem Indierock der 2000er aufgewachsen sind.

JPNSGRLS haben es als Rockband in Zeiten des modernen Pop-Rocks nicht leicht, erhört zu werden. Da muss man entweder Folk-Unterzüge mitbringen oder Autotune und Synthesizer einbauen, bis man sogar clubtauglich wird. All das interessiert die Jungs aus Vancouver aber gar nicht; die sind im Standard-Rock-Setup aus Gitarreschlagzeugbass unterwegs und berufen sich auf ihre Jugendeinflüsse. Sänger Charlie Kerr brüllt und gröhlt, wie Julian Casablancas es bei The Strokes nie konnte, die Gitarren von Oliver Mann sind so kantig, wie man es vielleicht bei Arctic Monkeys mal gehört hat. Und die Bass/Drums-Abteilung mit ihren verspielten Breaks und engem Zusammenspiel erinnert an abgehackte Riffs von Franz Ferdinand.

Der Opener des Albums Oh My God mit seinem wiederholt gebrüllten “Oh My God!” könnte sich nicht besser als Single eignen – schnell lässt man sich von Kerrs sich überschlagender Stimme mitreißen. Ebenso die Vorabsingle Bully For You, in der sich JPNSGRLS gegen eine frauenfeindliche Welt aussprechen: “If only she’d been born a son / Then maybe she’d still have a head.” JPNSGRLS schaffen es, dunkle Texte gegen nach vorne gehende Musik zu legen, ohne protzig zu klingen. Dafür wirken die Quasi-Balladen Circus und Holding Back austauschbar und irgendwie fehl am Platz – das Talent der Kanadier liegt deutlich bei schnellen, spaßigen Tracks mit poppigen Chören wie A Comprehensive List Of Things I Love. Dementsprechend ist das Album trotz 11 Songs schnell vorbei – kein Lied kommt auch nur ansatzweise an die 4-Minuten-Marke ran. Das ist aber vielleicht gar nicht verkehrt.

Das Album Divorce ist so simpel, wie es kurzweilig ist. Man darf keine musikalische Offenbarung erwarten, aber das wollen JPNSGRLS auch nicht. Sie spielen ihre Stärken aus, machen ehrliche Musik, die sie selber hören würden, und bleiben nicht länger, als man sie da haben möchte. Genau richtig also für einen nostalgischen Kurztrip.

(Sebastian Seifert | Campus FM)

____________
Der Silberling der Woche ist eine Kooperation der Campusradios
CT das radio, Campus FM und eldoradio* unter dem Dach der Campuscharts.
Daher findet ihr hier jede Woche eine Rezension zu einem besonders interessanten Album, wechselweise von den Musikredaktionen dieser drei Campusradios verfasst.
Checkt auch: www.silberlingderwoche.de

RÜCKSCHAU

KW 35/2023
Slowdive Everything Is Alive
KW 34/2023
Genesis Owusu Struggler
KW 23/2023
Christine and the Queens ANGELS, PARANOÏA, TRUE LOVE
KW 06/2023
Young Fathers Heavy Heavy
KW 05/2023
King Tuff - Smalltown Stardust
King Tuff Smalltown Stardust

ARCHIV

WOCHE Künstler/Band NAME DES ALBUMS/SONGS MUSIKLABEL
KW 22/2018 Örvar Smárason Light Is Liquid Morr Music
KW 43/2017 Sequoyah Tiger Parabolabandit Morr Music
KW 36/2017 Lali Puna Two Windows Morr Music
KW 34/2017 Turnover Good Nature Run For Cover
KW 28/2017 Rey And Kjavik Rkadash Katermukke
KW 27/2017 MT. Wolf Aetherlight CRC Music
KW 26/2017 Ant Antic Wealth Seayou Records
KW 25/2017 Lea Porcelain Hymn to the Night Lea Porcelain
KW 24/2017 Tora Take a Rest Eighty Days Records
KW 23/2017 Corridor Supermercado Requiem Pour Un Twister