Cover: Ignite - A War Against You

Wer seine Liste mit guten Vorsätzen für 2016 noch nicht voll hat, bekommt zu Beginn des Jahres von Ignite direkt noch mal eine Stange an Ideen geliefert: Das eigene Leben in die Hand nehmen, die Wahrheit sprechen und an Mutter Natur denken. Auf der ersten Platte nach zehn Jahren ohne gemeinsamen Output haut die Hardcore-Kapelle aus Orange County einen Kracher raus, der alle Erwartungen mit wohliger Erfüllung bedient.

„This is your Chance to begin again“ schreit uns Zoli Téglás in die Fresse und lädt damit alle gutbürgerliche Schuld aus Trägheit, Zurückhaltung und Furcht auf unseren Rücken ab. „Begin Again“ ist ein Opener, der keinen Zweifel daran lässt, dass Ignite es mit diesem Album noch einmal richtig ernst meinen. Zehn Jahre haben die Band-Mitglieder andere Projekte verfolgt. „Von außen sieht es vielleicht aus, als wenn wir uns zwischen den Alben eine Auszeit genommen hätten, aber es war wahrscheinlich die produktivste Zeit unseres Lebens“, kommentiert Basser Rasmussen die Zeit, die keine wirkliche Auszeit war. Denn obwohl alle Bandmitgliedern mit diversen Bands auf Tour und im Studio waren, während Zolis Stimme Pennywise auf einmal hat klingen lassen wie Ignite selbst, mussten Fans die Hits von „On Our Darkest Days“ nicht missen. Groezrock, Rock im Revier, Sick Of It All-Tour – Ignite haben weiter gespielt, als wenn es nicht ungewöhnlich wäre, zehn Jahre ohne neue Platten durch die Gegend zu tingeln.

Jetzt sind sie also zurück und Sänger Zoli ist froh: „Bei Ignite kann ich meine Gedanken frei aussprechen, über soziale Themen singen. Meine Berufung war es immer mit Musik eine Veränderung herbeizuführen. Ich habe diese Berufung immer noch. So sehr es auch wie ein Klischee klingt: Ich habe dieses Feuer, das in mir brennt.“ Und genau so klingt „A War Against You“ auch. Ignite brettern durch 13 Songs, kommen an klassischen Anti-Kriegshymnen „This Is A War“ vorbei, besprechen in „The Suffering“ die aktuelle Lage der Welt mit Flucht und Migration und schaffen es gleichzeitig noch was Neues auszuprobieren.

Die Single „Oh no, not again“ startet, als wollte sie sich in die Düster- Trends von jungen Bands wie FJØRT einreihen, streift Wave-Beats und traut sich dann inklusive fettem Hall Shouts, die auch eine volle Westfalenhalle zum Mitgehen bringen würden. Die Hook-Line „Oh No, not again, it’s just another Army marching in“, wird damit absolut eindringlich und erzeugt seichten Rock’n’Roll-Charme, der aber durch ausufernde Lead-Gitarren direkt wieder abgefangen wird. Definitiv der ungewöhnlichste Track des Albums und auf das erste Hören sicher nicht der Favorit von Old-Skl-Punk und Hardcore-Fans, aber eine gelungene Erweiterung des Repertoires.

Erfrischend anders fühlt sich Ignites Neue aber vor allem durch die Rückbesinnung auf das Alte an. Die politische Seite des amerikanischen Punk und Hardcore scheint in den letzten Jahren gerne zwischen Zeilen, die man sich eben schön tattoowieren oder mit ein paar verschwitzten Kerlen in Club-Kellern herausbrüllen könnte, zu verschwinden. Bands wie Title Fight, die den Schmerz eher in sich selbst als im schlechten der Welt spüren, sind zu den großen Lyrikern des Hardcore geworden. Da mag es platt wirken, wenn Zoli für „Where I’m From“ Luft holt und dann heraus schreit: „Now we  made it to the promised Land, to put the Past behind. (...)From English Class went straight to work, to build this brand new life“, aber der Ungar, der sich selbst als Small-Town-Hardcore-Refugee besingt, lässt seiner Wut auf diesem Album eben erneut freien Lauf und macht “A War Against You” damit zu einem Album, das trotz edelster Produktion und fetten Brettern den Spirit von kleinen, dreckigen Punk-Shows in sich trägt. (Nele Posthausen)

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