Cover: The Antlers - Familiars

Die Meister der Klage sind zurück. The Antlers, die Formation um Sänger Paul Silberman, liefern mit "Familiars" ihr mittlerweile viertes Studioalbum ab, das sich zwar deutlich vom Vor-Vorgänger "Hospice" (das sich thematisch dem zermürbenden Alltag auf einer Kinder-Krebsstadion annahm) und Vorgänger "Burst Apart" unterscheidet, aber dennoch keinen absoluten Richtungswechsel vollzieht - auch wenn die Band eindeutig mehr Soulflair geschnuppert hat.   

Hingegen keine Überraschung: Silberman ist bei seinem charakteristischem Falsettgesang geblieben. Vor allem für Neulinge im Antlers-Universum kann das weiterhin spannend sein: Silberman klingt teilweise durchaus wie Antony And The Johnsons - das Geschlecht ist nicht eindeutig zuzuordnen. Feminine Gesangsstrecken finden sich vor allem auf der geschmeidigen Komposition "Intruders". Doch neben der Stimme, die sicherlich den Kern der Platte auszeichnet, sind es vor allem die tausend Tränen schweren Bläsereinsätze, die einen Sog der Schwermut evozieren. Ob das im geschmeidigen "Hotel" ist, in dem Silberman die Anonymität der Hotel-Existenzen besingt: "When I check out, It won´t matter how my name is spelled." Das Sicht-Selbst-Vergessen. Die Vergangenheit vergangen sein lassen.  

Eine Hingabe, die schmerzt. Während Silberman aber lyrisch noch Salz in die Wunden streut und stimmlich ab und an signalisiert, dass das durchaus weh tut und als Kampf zu verstehbar ist, bleibt die Instrumentierung bereits gegenüber jedem abrupt euphorischem Stimmungswechsel immun. Langgezogene Klavierpassagen, dezent jazziges Schlagzeug, Percussion und immer wieder diese langen Atmer erfordernden Trompeten. Ein Wehmutsteppich ohne viel Farbwechsel. Das unterscheidet Silbermans Formation sicherlich von den oft als Referenz angeführten Arcade Fire (Pitchfork tat dies beim besagten "Hospice" in Bezug auf "Funeral" von Arcade Fire), wo doch gerade Musik- und Gesangspart hier simultan stürmen und drängen. Auf "Familiars" meint man aber eher musikalische Interpretationen von den Gemälden Edward Hoppers zu entdecken: einsame Gestalten, die sich nachts in Bars bewegen und das bunte Treiben in Zeitlupe betrachten.

"We have to make our history less commanding" singt Silberman dann passenderweise auch gleich mehrmals im zarten "Surrender" zu leicht rauchigem Gitarren-Einsatz. Eine Ergebenheit und Ehrfurcht, die aber auch nahezu groovige  Momente ermöglicht. Das Schlusslicht "Refuge" hüllt sich in einen warm-souligen Anstrich und ist schon fast durchgängig Dur. Wer hätte das gedacht? The Antlers klingen hier so, als hätten Lambchop sich zu mehr Einsatz bewegen können. In einem Punkt unterscheidet sich die Nummer jedoch keineswegs von den anderen Stücken: Durchweht von einer musikalischen Raffinesse und inneren Stimmigkeit, die die Band so bisher noch nicht erreicht hat. Das Klanggewebe ist einnehmend, zum Teil aber auch ein wenig zäh langatmig geraten. Doch am besagten Wehmutsteppich durfte mittlerweile jeder mitweben und eventuell erscheint "Familiars" gerade deswegen wie aus einem Guss. (Philipp Kressmann, CT das radio)

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